3. Inhalt und Beurteilung

Mohsin Hamid bedient sich in diesem Roman der Technik einer Rahmenerzählung. Diese findet im Laufe eines einzigen Abends in einem Außencafé von Lahore statt während eines Treffens des pakistanischen Protagonisten Changez mit einem anonymen und ominösen Amerikaner. Die Begegnung der beiden besteht ausschließlich aus einem langen Monolog der Hauptfigur, wobei der Gesprächspartner angesprochen wird, jedoch selbst nie direkt zu Wort kommt. Der Leser erhält lediglich dadurch Zugang zu den Reaktionen des Unbekannten, dass dessen Gedanken, Antworten, Fragen, Kommentare und Gefühle durch den Hauptcharakter gefiltert zum Ausdruck gebracht werden. Sie werden also dem Leser als eine Art Echo im Monolog des Erzählers vermittelt.


Trotz dieser Beschränkung ausschließlich auf die Form des Monologs, gelingt es dem Autor, sowohl die nötige Glaubwürdigkeit sicher zu stellen, als auch die Gefahr von Monotonie zu vermeiden. Die Aufgabe des Lesers besteht letztendlich darin, in seiner Vorstellung die monologische Form des Romans in einen Dialog umzudeuten.


Im Verlauf des Abends berichtet der Erzähler über eine Zeitspanne seines Lebens. Diese Schilderung unterbricht er immer wieder, um seinen Gesprächspartner direkt anzusprechen und auf die aktuelle Situation und das Leben in seiner Umgebung einzugehen. Parallel zum Hereinbrechen der Dunkelheit verspürt der Leser die knisternde Atmosphäre zwischen den beiden Gesprächspartnern, die stetig an Dramatik zunimmt. Grund dafür ist nicht zuletzt die Frage nach der Identität des fremden Amerikaners. Ist er lediglich ein Tourist oder aber ein CIA Agent, oder vielleicht sogar ein Killer? Nach allem was der Leser erfährt scheint er in einer Mission unterwegs zu sein und nach Changez´ vagen Andeutungen und Hinweisen könnte er im Besitz einer Waffe sein.
Diesem Fremden erzählt der Pakistani Changez, wie er in jungen Jahren seine Familie in Lahore verlässt, um als Stipendiat an der Universität von Princeton in New Jersey zu studieren. Nachdem er sein Studium mit Auszeichnung absolviert hat, erhält er eine hoch dotierte Stellung in einer renommierten New Yorker Unternehmensberatung. Nach einer harten Studienzeit ist für ihn der „American Dream“ in der Form von finanziellem und materiellem Erfolg und einer glänzenden und viel versprechenden Zukunft, wahr geworden. Er kann sich fortan in der amerikanischen Geschäftswelt bewegen. Als er sich in Erica, die Tochter einer wohlhabenden und elitären New Yorker Familie verliebt, gelingt ihm sogar der Zugang zur High Society Manhattans. Der Umgang mit seiner Geliebten gibt ihm das Gefühl nunmehr zu den Arrivierten der New Yorker Gesellschaft zu gehören. Doch das Verhältnis zu Erica erweist sich als problematisch. Durch den frühen Tod ihres Freundes Chris traumatisiert, gelingt es ihr nicht, sich ihrer Liebe zu Changez ganz hinzugeben. Er kann ihre uneingeschränkte Hingabe nur in dem Augenblick gewinnen, als er auf ihre Bitte hin sein eigenes Ich aufgibt und vorgibt, Chris zu sein. Schließlich fällt sie in eine tiefe Depression und nimmt sich das Leben. Changez` Verhältnis zu Erica ist wohl sinnbildlich als Spiegelbild seiner Beziehung zu den USA gedacht. Diese kann nur dann gelingen, wenn er seine eigene Identität, das heißt seine eigene kulturelle und soziale Herkunft, der neuen Kultur und Gesellschaft opfert.


Sein Anpassungsprozess an die amerikanische Gesellschaft schreitet stetig fort. Selbst das arrogante Auftreten, die Respektlosigkeit seiner Arbeitkollegen älteren Untergebenen gegenüber, und die Rücksichtslosigkeit sich in einer wartenden Schlange nach vorn zu mogeln, macht er sich zu eigen, obwohl dieses Verhalten seiner Natur widerspricht.

 

  Fundamentalist Cover  

Mohsin Hamid, The Reluctant Fundamentalist


INFORMATIVE ITEMS

1. Setting
2. Mohsin Hamid und sein Werk

3. Inhalt und Beurteilung

Am 11. September 2001 wird er am Fernsehgerät in Manila Zeuge des Einsturzes der Zwillingstürme des World Trade Centers. Erstmals zweifelt er an seiner Identität, seinem Empfinden für die Vereinigten Staaten und seinem Engagement für seinen Arbeitgeber beschäftigen ihn zunehmend. Beim Rückflug in die USA erfährt er, dass er als Pakistani nunmehr wie ein potentieller Terrorist behandelt wird. Die diskriminierende Behandlung setzt sich nicht nur nach der Landung am Flughafen, sondern später auch am Arbeitsplatz und auf der Straße fort. Changez muss erfahren, dass die multikulturelle Grundeinstellung New Yorks nach und nach einer national geprägten Haltung weichen muss. Nun erst offenbart sich dem Leser die Bedeutung des Titels. Andererseits wird nun endgültig klar, dass es sich bei The Reluctant Fundamentalist um einen post-kolonialen Roman handelt, der sich mit den Nachwirkungen des Kolonialismus auseinander setzt und jede Art von Imperialismus anprangert. Als international tätiger US-Unternehmensberater erkennt er, dass Globalisierung und Freie Marktwirtschaft eine neue Form des Imperialismus sind. Der eigentliche Fundamentalismus ist für Changez nicht der religiös geprägte islamistische Fundamentalismus, sondern der von seiner Unternehmensberatungsfirma Underwood Samson praktizierte US-Kapitalismus. Er erkennt, dass er Diener dieser neuen Form eines schonungslosen Imperialismus bzw. Fundamentalismus geworden ist. Als „reluctant fundamentalist“ bricht er die Durchführung eines Auftrags ab wohl wissend, dass dies seine Kündigung zur Folge hat. Er gelangt zu der Einsicht, dass sein Einsatz für den US-Kapitalismus dem eines Janitscharen ähnelt. „I was a modern-day janissary, a servant of the American empire at a time when it was invading a country with a kinship to mine ...“ (S.173). Janitscharen waren christliche Knaben, die zur Schaffung eines Eliteheeres ihren Eltern von den türkischen Osmanen entrissen wurden. Sie wurden als muslimische Fußsoldaten umerzogen, um gegen ihren eigenen Kulturkreis zu kämpfen. Doch Changez möchte nicht zum Kämpfer, d.h. zum Werkzeug, des amerikanischen Imperialismus werden. In Lahore nimmt er eine Arbeit als Dozent an der Universität auf und betätigt sich gleichzeitig als Anführer einer anti-amerikanischen Protestbewegung.

 

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